Als Persönlichkeitsstörungen werden tief verwurzelte, langanhaltende Muster des Denkens, Wahrnehmens und Verhaltens bezeichnet, welche von der sozialen Norm abweichen und damit ein persönliches Leid der betroffenen Person und häufig auch eine Beeinträchtigung des Lebensalltags dieser (zum Beispiel in sozialen Interaktionen, im Beruf oder in persönlichen Beziehungen) als Folge haben.
Die Ausprägungen von Störungen der Persönlichkeit sind vielfältig und werden in den aktuellen Klassifikationssystemen der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10) und dem „Diagnostischen und statistischen Handbuch psychischer Störungen“ (DSM) in drei verschiedene Kategorien (“Cluster”) eingeteilt.
Das Cluster A bezeichnet in diesem Sinne Persönlichkeitsstörungen mit „sonderbaren und exzentrischen Verhaltensweisen“, während das Cluster B Persönlichkeitsstörungen mit „dramatischem, emotionalem und launenhaften Verhalten“ umfasst. Die dritte Kategorie, Cluster C, beschreibt hingegen Persönlichkeitsstörungen mit „ängstlichem und vermeidendem Verhalten“. Einen Ausnahmefall stellt die passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung dar, welche im ICD-10 gesondert unter “sonstige Persönlichkeitsstörungen” angegeben wird.
Dem Cluster A werden paranoide, die schizoide und die schizotypische Persönlichkeitsstörung zugeordnet.
- Paranoide Persönlichkeitsstörung: Betroffene dieser Störung zeichnen sich durch die innere Grundannahme, andere Menschen wollen ihnen schaden oder hinterlistige Absichten verfolgen, aus. Diese Personen sind oft vorsichtig und distanziert im Sozialverhalten. Sie haben große Schwierigkeiten, Vertrauen aufzubauen und können sich schnell angegriffen fühlen. So kann die paranoide Persönlichkeitsstörung zwischenmenschliche Beziehungen stark beeinflussen und sogar zu sozialer Isolation führen.
- Schizoide Persönlichkeitsstörung: Diese Persönlichkeitsstörung ist durch soziale Zurückgezogenheit, eingeschränkte emotionale Ausdrucksweise, sowie durch ein starkes Bedürfnis nach Isolation gekennzeichnet. Auch hier haben Betroffene oft Schwierigkeiten, enge Beziehungen aufzubauen. Dies hat jedoch den Grund, dass sie soziale Interaktionen als unangenehm, nutzlos oder als schlicht verzichtbar wahrnehmen.
- Schizotypische Persönlichkeitsstörung: Kennzeichen dieser Störung sind besonders exzentrische Verhaltensweisen, ungewöhnliche Überzeugungen und häufig auch Wahrnehmungsstörungen. Wie bei allen Persönlichkeitsstörungen in diesem Cluster liegt auch bei dieser die Schwierigkeit, enge soziale Beziehungen aufzubauen, vor. Betroffene Menschen können in diesem Sinne besonders Schwierigkeiten haben, sich anderen anzupassen.
In das Cluster B gehören nach dem ICD-10 und DSM-V die antisoziale, die histrionische, die narzisstische, sowie die Borderline-Persönlichkeitsstörung.
- Antisoziale Persönlichkeitsstörung: Charakteristisch für die antisoziale Persönlichkeitsstörung ist ein Mangel an Empathie, Reue oder Schuldgefühlen. Betroffene können sich besonders risikofreudig, manipulativ und impulsiv verhalten. Entsprechend haben sie Probleme damit, sich an gesellschaftliche Normen zu halten und geraten so häufig in Konflikte mit anderen oder auch dem Gesetz.
- Histrionische Persönlichkeitsstörung: Diese Störung zeichnet sich durch dramatische, übermäßige, emotionale Ausbrüche aus. Betroffene Personen können sich oft egozentrisch, theatralisch und impulsiv verhalten. Sie haben das starke Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen und versuchen so stetig, mit ihrer extravertierten Art, die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen auf sich zu lenken.
- Narzisstische Persönlichkeitsstörung: In dieser Störung ist ein tiefgreifendes Muster von Machtgefühlen, dem Wunsch nach übermäßiger Bewunderung und dem Mangel an Empathie für andere vorhanden. Betroffene zeigen ein übertriebenes Selbstwertgefühl und neigen zur Manipulation ihrer Mitmenschen, mit dem Zweck, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.
- Emotional instabile Persönlichkeitsstörung: Menschen mit dieser Störung leiden unter Impulsivität, instabilen Beziehungsmustern, intensiven Stimmungsschwankungen und einem leicht erregbaren Temperament. Unterschieden wird zwischen dem impulsiven Typus und dem Borderline-Typus. Der impulsive Typus zeichnet sich durch emotionale Impulsivität und mangelnde Impulskontrolle aus. Der Borderline-Typus (auch Borderline-Persönlichkeitsstörung) ist charakteristisch für Störungen des Selbstbildes, ein chronisches Gefühl von innerer Leere, intensive, aber unbeständige Beziehungen und eine Neigung zu selbstverletzenden Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen.
Zum Cluster C gehören die ängstliche, die abhängige und die anankastische Persönlichkeitsstörung.
- Ängstliche Persönlichkeitsstörung: Diese Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch konstante Gefühle von Anspannung, Furcht, Sorge, Unsicherheit und Minderwertigkeit aus. Betroffene sehnen sich nach der Zuneigung und Anerkennung anderer und sind wenig kritikfähig und schnell angegriffen. Dabei werden die Risiken alltäglicher Situationen kontinuierlich überbetont und angstauslösende Situationen gegebenenfalls vermieden.
- Abhängige Persönlichkeitsstörung: Die abhängige Persönlichkeitsstörung, die auch asthenische oder dependente Persönlichkeitsstörung genannt wird, lässt sich durch das abhängige, passive, oft hilfesuchende Verhalten der Betroffenen charakterisieren. Individuen mit dieser Störung haben ein übermäßiges Bedürfnis nach Unterstützung und Zustimmung von anderen. Sie haben ein niedriges Selbstbewusstsein, übernehmen ungern Verantwortung und neigen dazu, sich an nahestehende Menschen zu klammern und Entscheidungen auf sie zu übertragen
- Anankastische Persönlichkeitsstörung: Bei der anankastischen, auch zwanghaften Persönlichkeitsstörung leiden Betroffene an einem übermäßigen Ordnungsdrang, Perfektionismus und dem ständigen Bedürfnis nach Kontrolle. So neigen sie zu starren Denkmustern, kontrollieren ständig den Zustand und die Ordnung von Dingen und können kaum flexibel agieren. Wenn etwas nicht an der richtigen Stelle ist oder nicht dem inneren Muster gefolgt wird, kann dies zu starken Stress- und Angstgefühlen führen.
Nach Schätzungen leiden circa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung an einer Persönlichkeitsstörung. Dabei ist es von der spezifischen Störung abhängig, wie sie unter den Geschlechtern verteilt ist. Menschen, die an psychischen Störungen leiden, sind deutlich häufiger von Persönlichkeitsstörungen betroffen als der Rest der Bevölkerung. Geschätzt wird hier, dass 30 bis 50 Prozent der psychisch kranken Menschen eine Persönlichkeitsstörung besitzen.
Die Therapie von Persönlichkeitsstörungen erfolgt unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten in der Persönlichkeit der Betroffenen. Dabei werden schädigende Muster identifiziert und langsam verändert. Es ist in diesem Sinne ein Teil des therapeutischen Prozesses, das Denken, die Wahrnehmung und das Verhalten des Patienten oder der Patientin genauer zu verstehen und entsprechend zu verändern. Das zugrundeliegende Ziel ist es, das individuelle Leiden zu lindern und die bessere Integration in das gesellschaftliche Leben zu ermöglichen.
Außerdem wird abgeklärt, ob eine zusätzliche psychopharmakologische Behandlung sinnvoll ist. Die Notwendigkeit und Art der Medikation kann ein Psychiater feststellen.