Autismus-Spektrum-Störungen (abgekürzt ASS) zeichnen sich durch Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie stereotype Verhaltensweisen aus.
Stereotype Verhaltensweisen sind dabei bestimmte Handlungen, die immer wieder und auf dieselbe Art und Weise wiederholt werden. So zeigen mache Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung zum Beispiel durch Körperbewegungen wie das mehrmalige Flattern mit Armen oder ein Schaukeln des Oberkörpers, dass sie sich freuen. Außerdem bevorzugen sie festgelegte Abläufe und Strukturen, zum Beispiel sehr feste Essenszeiten und Essensabläufe, immer den gleichen Weg zur zu Arbeit nehmen oder Dinge auf eine bestimmte Art und Weise zu ordnen.
Des Weiteren ist bei Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung die Wahrnehmung von Sinnesreizen intensiver, weshalb sie in manchen Situationen auf unkonventionelle Art und Weise reagieren. So können Geräusche als besonders laut, verschwimmend und überfordernd wahrgenommen werden, während Hitze oder Kälte weniger stark spürbar sein können als für sog. neurotypische Menschen.
Die Symptome
einer ASS beginnen in der frühen Kindheit, wobei die kindliche Entwicklung bei betroffenen Personen anders verläuft als bei neurotypischen Kindern. Bei der Entstehung der Störung ist ein genetischer Einfluss zu vermuten. Hierbei spricht man vom primären Autismus. Bei einigen Patienten und Patientinnen kann die Störung aber auch als Folge einer anderen Erkrankung entstehen – dann handelt es sich um sekundären Autismus.
Die menschliche Wahrnehmung kann sehr unterschiedlich sein: Es gibt Menschen, die eher das große Ganze sehen, und wiederum andere, die den Fokus auf Details lenken. Wenn man die Wahrnehmung als ein Kontinuum betrachtet, dann ist an einem Ende die autistische Perspektive angesiedelt, die sehr ins Detail geht, und am anderen Ende die sog. holistische Sicht, welche das Gesamtszenario umfasst. Dazwischen gibt es unzählige Abstufungen.
Jemand, der auf diesem Wahrnehmungs-Kontinuum eher auf der autistischen Seite steht, wird sich zudem mehr für Zahlen, Muster und Technisches interessieren und Menschen, soziale Interaktionen und Ähnliches eher vermeiden.
Bei den Autismus-Spektrum-Störungen wird im aktuellen Klassifikationssystem des ICD-10 zwischen dem frühkindlichen Autismus, dem Asperger-Syndrom sowie dem atypischen Autismus unterschieden.
Der frühkindliche Autismus
tritt grundsätzlich vor dem 3. Lebensjahr auf und zeichnet sich durch eine meist stark verzögerte Sprachentwicklung aus. Dabei entwickeln 30-50 % der Kinder mit frühkindlichem Autismus sogar gar keine Sprache oder nutzen diese stereotyp und ritualisiert. Ca. 50 % der betroffenen Kinder verfügen jedoch über eine normal ausgeprägte Intelligenz. Mögliche erste Anzeichen eines frühkindlichen Autismus sind z. B. die Ablehnung der Brust als auch generell von Körperkontakt sowie ausgeprägte Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus.
Das Asperger-Syndrom
Hingegen unterscheidet sich das Asperger-Syndrom vom frühkindlichen Autismus in erster Linie dadurch, dass keine Entwicklungsverzögerung beziehungsweise kein Entwicklungsrückstand in der Sprache oder der kognitiven Entwicklung vorhanden ist. Das Asperger-Syndrom macht sich erst nach dem dritten Lebensjahr bemerkbar. Die meisten Betroffenen besitzen dabei eine normale allgemeine, in Teilgebieten besonders hohe Intelligenz (auch hochfunktionaler Autismus genannt).
Besonderheiten in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Umweltreizen und Sinneseindrücken treten bei Menschen mit Asperger-Syndrom häufig auf. Sie besitzen dementsprechend gute sprachliche Fähigkeiten, haben gleichzeitig aber oft Schwierigkeiten mit den sozialen Facetten ihrer Kommunikation.
Menschen mit Asperger-Autismus empfinden den Aufbau von Beziehungen zu bzw. den Umgang mit anderen Menschen als besonders kompliziert, anstrengend oder schwierig. Dabei wird häufig eine starke Abneigung hinsichtlich Veränderungen einzelner Lebensbestandteile oder Umstände festgestellt. Häufig haben die Betroffenen Probleme damit, Gesichter zu erkennen (sog. Prosopagnosie), was zu Missverständnissen im sozialen Kontakt führen kann.
Der atypische Autismus
tritt ebenfalls erst nach dem dritten Lebensjahr auf und ist als eine Restkategorie anzusehen für Menschen, die zwar nicht alle Merkmale der anderen Autismus-Spektrums-Störungen aufweisen, jedoch im klinischen Bild als autistisch einzustufen sind.
In den bisher durchgeführten Studien zur Epidemiologie – also der Auftretenshäufigkeit – des Autismus wurde festgestellt, dass wohl ca. 0,6-1 % Prozent der weltweiten Bevölkerung betroffen sind. Dabei ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen 4:1. Hierbei ist jedoch noch nicht zur Genüge untersucht worden, ob Frauen deshalb so unterrepräsentiert sind, weil sie sozial angepasster sind und mehr sog. Kompensationsstrategien anwenden, wodurch sie sozial weniger auffallen.
In Deutschland wird momentan noch zwischen den oben beschriebenen 3 Autismus-Diagnosen unterschieden. In Zukunft jedoch wird diese Unterteilung keine große Rolle mehr spielen. In den nächsten Jahren wird ein Umstieg in das neue Klassifikationssystem des ICD-11 (Internationale Klassifikation von Krankheiten/ Störungen) erfolgen. Dann wird man nicht mehr zwischen den verschiedenen Arten von Autismus unterscheiden, sondern nur noch von Autismus-Spektrums-Störungen sprechen, welche dann in leichte, mittlere und schwere Ausprägungsgrade unterteilt werden.
Therapie-Möglichkeiten
In der psychotherapeutischen Behandlung von Autismus-Spektrum-Störungen geht es vor allem darum, die subjektiv belastende Symptomatik zu lindern, die Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion zu reduzieren und die Kommunikationsfertigkeiten zu steigern. Dabei werden wichtige Kompetenzen vermittelt und Verhaltensweisen gefördert, die dazu beitragen, sich besser in Beruf, Gesellschaft und allen anderen Lebensbereichen zurechtzufinden. Es wird daran angesetzt, zu lernen, die eigenen Besonderheiten zu akzeptieren und sie in den eigenen Lebensentwurf zu integrieren, statt sich an der restlichen Gesellschaft zu orientieren. Dabei ist es ein therapeutisches Ziel, die Selbstständigkeit zu fördern und vor allem die Lebenszufriedenheit zu verbessern.
Häufig ist es in der Psychotherapie auch wichtig, Komorbiditäten zu behandeln. Das sind psychische Störungen, die neben dem Autismus auftreten können, wie z.B. Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörung oder ADHS.
Die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung kann durch Psychiater und Psychiaterinnen, sowie durch Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen gestellt werden. In unserer Praxis ist die Diagnostik von Autismus möglich.
Autismus-Sprechstunde
Haben Sie den begründeten Verdacht, dass bei Ihnen Autismus vorliegen könnte? In unserer Praxis führen wir eine ausführliche Diagnostik für Autismus durch für erwachsene Patientinnen und Patienten, die keine Intelligenzminderung aufweisen.
Die Diagnostik wird unter der fachlichen diagnostischen Supervision der Praxisleitung oder einer approbierten Psychologischen PsychotherapeutIn durchgeführt und wird ähnlich wie die Diagnosen psychiatrischer Praxen von sämtlichen Institutionen anerkannt.
Die Diagnostik läuft folgendermaßen ab:
1. Termin:
Hier findet die hauptsächliche Diagnostik im Rahmen eines Gesprächs statt mithilfe von Autismus-spezifischen Verfahren, welche wir in unserer Praxis erweitert und adaptiert haben. Da die Testverfahren ADOS und ADI- R nicht alle Autismus- relevanten Kriterien, wie zum Beispiel Theory of mind, Zentrale Kohärenz und Exekutivfunktionen erfassen, verwenden wir sie in unserer abgewandelten Form bei der diagnostischen Arbeit. Für diesen Termin sollten Sie ca. 100-120 Minuten Zeit einplanen.
Sie erhalten zudem Fragebögen von uns, welche Sie bitte dann eine Woche vor dem abschließenden Beratungsgespräch an die Praxis ausgefüllt zurücksenden. Unter diesen Fragebögen befindet sich auch ein Fragenformular für Eltern bzw. Angehörige. Bitte lassen Sie dieses von Ihren Eltern ausfüllen! Falls dies nicht möglich ist, können auch andere Ihnen nahestehende Personen, welche Sie seit der Kindheit oder dem frühen Jugendalter kennen, den entsprechenden Fragebogen ausfüllen. Falls Sie zu all diesen Personen keinen Kontakt mehr haben sollten, lassen Sie diesen Fragebogen aus.
Abschließendes Beratungsgespräch:
Hier werden die Ergebnisse mit Ihnen besprochen. Zudem findet eine Beratung statt zu Ihren Fragen hierzu. Zudem wird während des gesamten diagnostischen Prozesses begleitend im ganzheitlichen Sinne überprüft, ob noch weitere Störungsbilder wie z.B. Depression, Angststörungen oder ADHS vorliegen können. Wenn dies so sein sollte, wird bei Bedarf ein weiterer Termin geplant, welcher jedoch über Ihre jeweilige Krankenkasse abgerechnet werden kann. Dementsprechend werden dann alle Ergebnisse mit Ihnen gemeinsam besprochen und Sie erhalten von uns eine ausführliche Beratung über weitere Maßnahmen, die Sie zur Behandlung ergreifen können. Für diesen Termin sollten Sie ca. eine Stunde einplanen.
Das Gutachten:
Im Anschluss an die Diagnostik erhalten Sie ca. 3-4 Wochen später einen ausführlichen Bericht mit sämtlichen Ergebnissen und Indikationen, welche in der Beratung mit Ihnen besprochen wurden. Dieses Dokument können Sie dann für zukünftige Arzt- oder Klinikbesuche verwenden sowie zur Vorlage nutzen bei Ämtern/ bei der universitären Studierendenberatung/ bei sonstigen Institutionen, welche Sie bezüglich des Autismus aufsuchen möchten oder müssen.
Für die diagnostischen Termine im Rahmen der Diagnostik bei uns sollten Sie daher insgesamt ca. 3,5 Stunden einplanen. Eine halbe Stunde ist für das Ausfüllen diagnostischer Fragebögen vorgesehen. Es ist auch möglich, das abschließende Beratungsgespräch online durchzuführen, falls Sie eine weite Anreise haben sollten. Bitte geben Sie uns diesbezüglich beim ersten Termin eine Rückmeldung. Die Kosten für die Autismus Diagnostik samt Testauswertung und Befunderstellung betragen 496,02 Euro (berechnet nach der Gebührenordnung für Psychotherapeuten mit dem 3,1- fachen Satz).
Weiterführende Links
Zur Verbesserung der Versorgung für Menschen aus dem neurodivergenten Spektrum haben wir eine neue Praxiseinrichtung gegründet. Momentan richtet sich das Angebot vorerst nur an selbstzahlende und privatversicherte Personen. Die Praxis Vianova erreichen Sie hier.
Im Folgenden befinden sich zwei weiterführende Links von Selbsthilfegruppen für Betroffene von Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter in Berlin:
Selbsthilfenetzwerk Autismus
KIS – Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe
Hier ein Beitrag zur Symptomatik, Diagnostik und Therapie von Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter:
ASS im Erwachsenenalter
Hier ein ausführlicher Beitrag zu Frauen mit Autismus-Spektrum-Störungen:
Im Folgenden wird eine Auswahl an Ratgebern und Flyern für Autismus-Spektrum-Störungen aufgezeigt.