Allseits bekannt sind der Missbrauch von Medikamenten, welche früher oder später, je nach konsumierter Substanz, zur Abhängigkeit führen. Eher selten diskutiert wird hingegen das Phänomen der iatrogenen Medikamentenabhängigkeit, bei welcher zu Beginn der Abhängigkeit die ärztliche Verschreibung eines Medikaments aufgrund körperlicher oder psychischer Belastungen steht.
Medikamente mit Suchtpotential, welche von einem Arzt verschrieben werden können, umfassen Schmerzmittel (sogenannte Barbiturate), und Schlaf- bzw. Beruhigungsmittel (sogenannte Benzodiazepine).
Eine Abhängigkeit entsteht meist durch einen wiederholten, über einen längeren Zeitraum oder hoch dosierten Konsum.
Man unterscheidet zwischen körperlicher und psychischer Abhängigkeit.
Von körperlicher Abhängigkeit spricht man, wenn das Absetzen der Substanz zu körperlichen Entzugserscheinungen führt. Entzugserscheinungen können allerdings auch schon bei der Reduktion der Medikamentendosierung auftreten. Das Erscheinungsbild der Entzugserscheinungen ist abhängig von der konsumierten Substanz.
Bei einer psychischen Abhängigkeit ist hauptsächlich das übermäßige Verlangen eine bestimmte Substanz immer wieder zu konsumieren das kennzeichnende Merkmal. Dieses Phänomen wird „craving“ genannt.
Der Konsumwunsch, welcher häufig als innerer Zwang beschrieben wird, wird oft erst dann bewusst, wenn die betroffene Person versucht ihren Konsum zu kontrollieren.
Verminderte Kontrolle über den Substanzkonsum äußert sich darin, dass die Substanz häufiger, länger, und höher dosiert eingenommen wird als ursprünglich geplant, oder auch darin, dass Versuche den Konsum zu verringern oder zu beenden, erfolglos bleiben. Beispielsweise kann eine Bezodiazepin-Abhängigkeit bereits bei täglicher Einnahme über einen Zeitraum von zwei Monaten entstehen.
Ein weiteres Merkmal für eine Abhängigkeit stellen Toleranzeffekte dar. Bei einer langfristigen Einnahme eines Medikaments entsteht eine gewisse Toleranz des Körpers für das bestimmte Medikament, welche wiederum die Wirkung abschwächt. Als Folge ist eine höhere Dosierung des Medikaments notwendig, um die gewohnte Wirkung zu erzielen.
Eine Sonderform der Abhängigkeit stellt die „Niedrig-Dosis-Abhängigkeit“ dar.
Auch hier kommt es zu einer Toleranzentwicklung, die aber nicht unbedingt mit einer Konsumsteigerung einhergeht. Trotz konstanter Einnahmemenge kann eine Abhängigkeit von der Substanz vorliegen. Diesen Patienten ist ihre Abhängigkeit oft nicht bewusst. Die auftretenden Entzugssymptome werden fälschlicherweise als ein Wiederauftreten der ursprünglichen Beschwerden interpretiert und der weitere Verordnungswunsch damit begründet.
Unter diesem Aspekt – dass auch niedrige Dosierungen bereits zur Abhängigkeit führen können – sollten Sie stets gewissenhaft abwägen, ob eine Medikamenteneinnahme die einzige Möglichkeit zur Bewältigung ihrer Beschwerden darstellt, oder ob es Alternativen gibt. Vor allem bei psychischen Belastungen, beispielsweise bei Ängsten, gibt es immer die Möglichkeit einer Psychotherapie als Alternative zu einem Medikament.
Die Behandlung einer iatrogenen Medikamentenabhängigkeit beginnt mit einem Entzug, bestenfalls durchgeführt unter ärztlicher ambulanter Aufsicht oder dem stationären Aufenthalt in einer Klinik. Begleitet werden sollte der Entzug von einer Psychotherapie.
Adressen von Kliniken, Beratungsstellen mit geeigneten Angeboten sowie niedergelassenen ÄrztInnen und Psychotherapeuten/innen erhält man zum Beispiel über die Deutsche Hauptstelle für Sucht e.V., die Krankenkassen oder auch über das Internet (www.arztauskunft.de oder www.psychotherapiesuche.de). Bei einem Bedarf nach einer Therapie wenden Sie sich gerne auch an unsere Praxis.